Auszug aus: Ein grosser freiheitlicher Erzieher: Pierre Ramus (1882-1942). Hommage à la non-violence. Lausannne: Verlag Gegenseitige Hilfe, 2000. 123 S. Beim Verlag  erhältlich für 20.- SFR unter ISBN: 3-906261-04-2. [Zurück zur Inhaltsübersicht des Buches] 

Einleitung

 Zur Einführung in die Gedankenwelt des libertären Denkers Pierre Ramus und seiner Philosophie der Gewaltlosigkeit würdigt der profunde Ramus-Kenner Reinhard Müller im ersten Kapitel das Werk und Leben von Ramus. Diese Würdigung wurde im Rahmen einer der regelmässigen Erinnerungsfeiern des Friedrich-Liebling-Archivs zu Ehren grosser gewaltloser Erzieher in Lausanne ausgesprochen. Wir danken dem Archiv für die freundliche Erlaubnis, diesen unveröffentlichten Beitrag abdrucken zu dürfen. Im zweiten Kapitel gewährt uns ein Zeitzeuge einen lebendigen und aufwühlenden Einblick in die Arbeit einer Bewegung, die anfangs des Jahrhunderts in Österreich um Ramus entstand. Der ergreifende ,,Brief an einen Freund“ schliesst diese Erinnerung. Eine ganz besondere Freude ist es uns, im dritten Kapitel ein bisher unveröffentlichtes Gespräch mit der Tochter Pierre Ramus‘ abzudrucken. Frau Lilly E. Schorr lebt heute in Los Angeles. Sie spricht in einfachen und klaren Worten von ihrer Kindheit und ihrer Jugend. Hier wird deutlich, wie diese Frau im Hause eines gewaltlos erziehenden Elternpaares zu einer Persönlichkeit heranreifen konnte. Im vierten Kapitel berichtet Ferdinand Groß über seine Begegnung mit Ramus in den dreissiger Jahren. Diese Begegnung veränderte sein Leben und veranlasste ihn, sein weiteres Schaffen und Denken in den Dienst der Sache des freiheitlichen Sozialismus zu stellen. Um diese beiden kurzen Beiträge ins richtige Licht zu rücken und die Arbeit des 1998 verstorbenen Ferdinand Groß zu würdigen, haben wir beschlossen, im fünften Kapitel die an Sachkenntnis äusserst reiche Würdigung und Lebensbeschreibung von Reinhard Müller einzuschieben. Diese politische und biographische Bestandsaufnahme umfasst das ganze 20. Jahrhundert. Das sechste Kapitel ist eine psychologische Würdigung des Hauptwerks von Pierre Ramus: ,,Die Neuschöpfung der Gesellschaft“. Die beiden folgenden Kapitel sieben und acht wollen die Bedeutung der Gewaltlosigkeit im zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben aufzeigen. Das Nachwort lautet: ,,Bevor ich töte, lasse ich mich töten“. Dieses aussergewöhnliche Bekenntnis zur absoluten Gewaltlosigkeit, das den Zweiten Weltkrieg und die Konzentrationslager des Nationalsozialismus überdauerte, wird uns von Ferdinand Groß übermittelt. Den Schluss bieten drei Bibliographien. Die zwei ersten betreffen Werke von und über Ramus, die erste wurde von Reinhard Müller und die zweite von Marianne Enckell (CIRA, Lausanne) zusammengestellt. Die dritte bescheidene Bibliographie betrifft einige Schriften zur gewaltlosen Erziehung.

Ich möchte noch hinzufügen, dass wir anfangs geplant hatten, ein Kapitel mit dem Titel Nach Ramus...“ zusammenzustellen. Wir wollten zum Beispiel über die Aktivitäten der Pierre-Ramus-Gesellschaft in Wien und andere berichten. Adi Rasworschegg von der FAU/Ö äusserte sich sehr lobend über unsere Schrift und schlug vor‘ kurz über seine Aktivitäten in der FAU/Ö zu berichten. Adi Rasworschegg schreibt, dass die 1992 gegründete Pierre-Ramus-Gesellschaft weiterhin besteht. Sie veranstaltete 1992, anlässlich des 50sten Todesjahres von Pierre Ramus ihr erstes Pierre-Ramus-Symposium, das zweite im November 1995. Die Gesellschaft gibt sporadisch die Publikation ,,Erkenntnis. Zeitschrift der Pierre-Ramus-Gesellschaft“ heraus. Adi Rasworschegg betont, dass ,,die Botschaft Pierre Ramus‘ weitergetragen wird und zu hoffen ist, dass die ,,Neuschöpfung der Gesellschaft“ nicht nur ein unrealistischer und schöner Traum bleibt, sondern dass die Menschen wieder lernen, den richtigen Weg zum ,,Mensch-sein“ zu finden!“[1] Gerne verweise ich auf die Biographie über Pierre Ramus, die Adi Rasworschegg im Lexikon der Anarchie 1996/7 veröffentlicht hat. Dr. Gerhard Senft sandte mir einige Unterlagen der Gesellschaft und die Nummer 7-8 der ,,Erkenntnis“[2]. Wir bedauern, dass dieses Kapitel über heutige Aktivitäten nicht zustande kam. Sie hätten es verdient, dass darüber berichtet wird. Wir fühlten uns jedoch nicht kompetent, dieses Kapitel aufgrund der wenigen Unterlagen selbst zu verfassen. So können wir nur hoffen und wünschen, dass sich einer der Mitarbeiter der Pierre-Ramus-Gesellschaft dieses wichtigen Themas annimmt. Gerne gebe ich die Adressen der Gesellschaft und der FAU/Ö an, so dass sich interessierte Leser direkt dorthin wenden können, falls sie weitere Informationen wünschen.[3]

Die FAU/Ö ist aktiv in der Arbeit mit Kurden, um ihre Bestrebungen nach Frieden und Anerkennung ihrer Rechte zu unterstützen. Der ,,Pinguin“, alternatives Jugendhaus in der Wiener Neustadt, wurde 1996 geschlossen. Die FAU/Ö versteht sich als ein Nachfolger des ,,Bundes herrschaftsloser Sozialisten“ und versucht, vor allem ausländischen ArbeitnehmerInnen bei Fragen in Bezug auf Arbeitsrecht, Fremdenrecht und Asylrecht, Beschaffung von Wohnmöglichkeiten, Schulberatung, allgemeinen Rechtsfragen, Jugend- und Kulturarbeit hilfreich zur Seite zu stehen. Adi Rasworschegg hat verschiedene kleine Broschüren verfasst und 1994 ein ,,autonomes Frauenhaus“ gegründet. Auf diese Weise möchte er, wie er sagt, als einer der letzten vier alten Genossen ein Beispiel zu dem geben, was er persönlich unter Anarchismus versteht und ohne Zwang, Befehle und staatliche Verordnungen und Gesetze im Sinne von Ramus und Rocker einen Beitrag zur Neuschöpfung der Gesellschaft leisten. Adi Rasworschegg und allen Freunden auf unserem kleinen Planeten, die sich im Sinne der Gewaltlosigkeit einsetzen, sei hiermit gedankt.

Pierre Ramus hat den Menschen des dritten Jahrtausends eine lebenswichtige Erkenntnis mitzuteilen: Die absolute Gewaltlosigkeit ist und bleibt die einzige zukunftsträchtige Grundlage und die einzige gesellschaftsverändernde Strategie, die das Uberleben der Menschheit sichern kann.

Diese Schrift will einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass dieser weitsichtige Gedanke aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im heillosen Durcheinander der Ideologien nicht verloren geht.

Gerda Fellay


[1] Brief vom 5. August 1999

[2] Winter 1997, 5. Jg.

[3] Pierre-Ramus-Geselischaft, p.a. Dr. Dieter Schrage, Matznergasse 8, A-1140 Wien. Die FAU/Ö c/o Adi Rasworschegg, Lärchengasse 46, A-2601 Maria Theresia


Auszug aus: Ein grosser freiheitlicher Erzieher: Pierre Ramus (1882-1942). Hommage à la non-violence. Lausannne: Verlag Gegenseitige Hilfe, 2000. 123 S. Beim Verlag  erhältlich für 20.- SFR unter ISBN: 3-906261-04-2. [Zurück zur Inhaltsübersicht des Buches]