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Schriftenreihen: |
Julien Offray de La Mettrie (1709-1751) |
Julien Offray de La Mettrie (1709-1751)
ist bekannt als Verfasser des Buches "L'homme machine" (1748); er wird
in den meisten Darstellungen der Philosophiegeschichte als der radikalste
Vertreter eines kruden mechanistischen Materialismus genannt.
[Mehr über La Mettrie] Max Stirner (1806-1856) ist bekannt als Verfasser des Buches
"Der Einzige und sein Eigentum" (1845); er wird meist als der radikalste
Individualist, Anarchist, Nihilist o.ä. bezeichnet.
Wilhelm Reich (1897-1957) ist nacheinander unter zwei Aspekten
bekannt geworden: zuerst, im Vorfeld der "68er" Studentenbewegung, als
der radikalste Psychoanalytiker und Verkünder der "sexuellen Revolution";
dann, im Zeichen des sog. New Age, als "Vater der körperorientierten
Psychotherapien" und als "Entdecker des Orgons".
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Diese Klassifizierungen von L/S/R als extremistische, überspannte, vor allem aber philosophisch substanzlose und deshalb marginal gebliebene Figuren der neuzeitlichen Geistesgeschichte sind Stereotype, die sich über lange Zeiten hinweg verfestigt haben und daher ausserordentlich schwer zu erschüttern sind. Dies liegt vordergründig betrachtet daran, dass die Notwendigkeit einer differenzierteren Sicht ihrer Werke nicht gesehen wird. Der skeptische Betrachter allerdings, der die Geschichte der Aufklärung reflektiert hat und den proklamierten Ausgang des Menschen aus der Unmündigkeit noch nirgendwo erblickt, wird folgende These nicht von vornherein abweisen: Jene Stereotype waren in jedem Fall Resultat der Abwehr radikaler, das Verständnis von Aufklärung, Mündigkeit (etc.) betreffender Kerngedanken der äusserlich so verschiedenen Werke von L/S/R, die, einmal freigelegt, erstaunliche Ähnlichkeiten aufweisen. |
Max Stirner (1806-1856) |
Wilhelm Reich (1897-1957) |
L/S/R sind im Kontext der drei radikaleren Phasen aufklärerischen Denkens zu sehen, für die repräsentativ die Namen Diderot, Marx und Freud (D/M/F) stehen. Von diesen Aufklärern D/M/F wurden die Aufklärer L/S/R jeweils als ärgste philosophische Feinde betrachtet. Sie haben sie deshalb erbittert bekämpft, aber nicht argumentativ und öffentlich, wie es ihrem hochgehaltenen Ethos entsprochen hätte, sondern mittels Intrige, Diffamierung und Totschweigen. So gelang es ihnen, L/S/R für ihre jeweilige Epoche zu Unpersonen zu machen. Als spätere Generationen L/S/R wieder wahrnahmen, hatte sich, eben durch das Wirken von D/M/F et al., eine realpolitische Aufklärung historisch etabliert und eine Situation geschaffen, in der es offenbar sehr schwer war, die konsequente Aufklärung von L/S/R als solche überhaupt zu erkennen, geschweige denn, sie zu einem aktuellen theoretischen Entwurf zu transformieren. L/S/R wurden nicht mehr als einst von D/M/F gefürchtete Gegner erkannt, sondern nur noch als unbedeutende Figuren in deren Umkreis. |
Hier wird die Verbindung zum Thema des Anarchismus erkennbar, die sachlich durchaus besteht, wenngleich L und R im historischen Anarchismus keine Rolle spielten und S von den massgeblichen Theoretikern des Anarchismus (Proudhon, Bakunin, Kropotkin et al.) keineswegs als Vorfahr angesehen, sondern auf die gleiche Weise bekämpft wurde wie von Marx (durch Totschweigen) während die wenigen "individualistischen Anarchisten", die sich nominell auf S beriefen, den Kern seiner Lehre nicht wahrnahmen.
Aufklärer und Anarchisten aller Schattierungen haben sich stets
gescheut, das entscheidende Problem der Konzeption des mündigen, des
autonomen Menschen wirklich konsequent in Angriff zu nehmen. Aus vielerlei
Gründen postulierte man meist eine Freiheitssehnsucht des Menschen,
ohne dessen Jahrtausende alten Hang zur servitude volontaire (so
1577 der LSR-Vorläufer La Boëtie) oder Knechtseligkeit gründlich
zu untersuchen, ja, man machte L/S/R im Grunde deshalb zu Unpersonen, weil
sie eben darauf insistierten und damit vermeintlich greifbaren praktischen
Erfolgen im Wege standen. Offenbar erst heute, wo dem kritischen Betrachter viele
Siege der auf rasche politische Durchsetzung reflektierenden Aufklärung (D/M/F) als Pyrrhussiege erscheinen
müssen und der Anarchismus als politische Kraft längst erloschen
ist, scheint die Zeit reif zu sein, L/S/R -- nicht zu rehabilitieren,
das wäre müssig, sondern -- als diejenigen Denker zu entdecken,
mit deren Hilfe ein tieferes Verständnis des Vergangenen zu gewinnen
und die paralysierte Aufklärung zu reanimieren wäre. Dieses Ziel wird mittels des LSR-Projekts zu erreichen versucht.
Das Buch trägt im Original den Titel "L'homme machine" (1748) und wurde bisher fünfmal ins Deutsche übersetzt: "Der Mensch eine Maschine" (1875, 1909, 1965), "Der Mensch als Maschine" (1985: vorliegender Band) und "Die Maschine Mensch" (1990). Sein Titel ist so eingängig, dass er viel dazu beigetragen hat, den Namen La Mettrie weithin bekannt zu machen, allerdings um den Preis, dass man meist diese Titelphrase für die simple Quintessenz des philosophischen Gehalts nahm und La Mettrie als ersten neuzeitlichen Vertreter eines kruden Materialismus abstempelte und in die Annalen verbannte. Entsprechend wird bis heute stereotyp dieses Buch La Mettries als sein Hauptwerk bezeichnet -- gegen des Autors eigenes Bekunden und gegen das Urteil einiger, weniger Kenner, die, allerdings erst in den letzten Jahren, wie er dieses Prädikat eindeutig seinem "Discours sur le bonheur" zusprachen.
Diese dauerhafte Fehleinschätzung La Mettries (1709-1751)
ist keine philosophiehistorische Bagatelle, die nur für Spezialisten
von Interesse wäre. La Mettrie ist vielmehr ein veritabler "Fall",
dessen gründliche Aufrollung ein tieferes Verständnis in die
Fehlentwicklung der aufklärerischen Bewegung bis hin zu ihrem heutigen
desolaten und scheinbar aporetischen Zustand verspricht. Diesem Band ist
deshalb ein Essay beigefügt, der zu dieser Problematik hinführt.
Dieses Buch, im Original "Discours sur le bonheur", ist zwar das Hauptwerk La Mettries, wurde aber bis heute selbst von Spezialisten für die französische Aufklärung nur selten zur Kenntnis genommen -- eine Folge der o.g. Stereotypisierung.
La Mettrie war 1748 aus dem sonst sehr liberalen Holland, wo jedoch er wegen des "L'homme machine" an Leib und Leben bedroht war, an den Potsdamer Hof des jungen Friedrich II geflohen, sein letztes Asyl. Hier schrieb er, als Einleitung zu einer Übersetzung von Senecas "De beata vita" getarnt, sein Hauptwerk. La Mettries Schutzherr, der aufgeklärte, tolerante König, der jeden nach seiner Fasson selig werden lassen wollte, liess dieses Buch - als einziges rein philosophischen Inhalts - sofort verbieten. Es war auch dieses Buch, durch das La Mettrie zum intimsten Feind der damaligen Aufklärer wurde, auch noch postum: Voltaire verleumdete ihn als trunksüchtigen Verrückten, Holbach nannte ihn einen Wahnsinnigen, Diderot einen in seinen Sitten und Anschauungen Verdorbenen. La Mettrie war somit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Unperson, dessen Werke man nicht öffentlich diskutierte, wenngleich sie "klandestin" zirkulierten. Und nach der Grossen Revolution war er schlicht "vergessen".
La Mettrie vertrat auf eine undogmatische Weise materialistische, atheistische und antiklerikale Ansichten. Diese Position konnten Friedrich und die damaligen französischen Aufklärer noch durchaus tolerieren, ja, einige von ihnen nahmen sie später selber ein. Das für sämtliche damaligen Aufklärer Unerträgliche an La Mettries Position aber war seine "Lehre von den Schuldgefühlen", die er selbst jedoch als Kern seiner Philosophie mit Prioritätsanspruch betrachtete und in diesem Band darlegte. Diese "Lehre" trifft noch heute auf erhebliche Widerstände, so dass die wenigen Autoren, die sie in den letzten Jahren thematisiert haben, sie lieber schnell unter bekannten Etiketten "abzulegen" versuchten (Vorläufer von de Sade, des "individualistischen Anarchismus").
Der ganze "Fall La Mettrie" wurde jedenfalls noch nicht aufgerollt.
Der Titel dieses Bandes stammt vom Herausgeber. Der Band enthält La Mettries "Discours préliminaire" zur ersten Ausgabe seiner "uvres philosophiques" und als Anhang Auszüge aus seiner Schrift "Système d'Épicure".
La Mettrie wurde nach dem Verbot seines Hauptwerkes durch Friedrich II von diesem dazu genötigt - als Vierzigjähriger - sein philosophisches Testament zu machen und seine gesammelten philosophischen Schriften (in einem Band) herauszubringen -- unter denen, so die Pointe, sein philosophisches Hauptwerk sich nicht befinden durfte. Es wurde ihm aber gestattet, eine Einleitung, jenen "Discours préliminaire", zu schreiben. La Mettrie versuchte nun, im Schutz ironischer Formulierungen, doch irgendwie auszudrücken, was ihm der Zensor untersagt hatte. Der Text des Anhangs verdankt seine Entstehung denselben Umständen.
König und Zensor liessen auch das nicht durch: die "uvres" wurden
kurz nach Erscheinen konfisziert. Spätere Leser der Einleitung,
die deren Entstehungsbedingungen nicht berücksichtigten, haben den
Text nur selten stimmig zu deuten gewusst.
La Mettrie zeigte, obwohl er keine reale Lebensalternative zum Asyl am Hofe Friedrichs hatte, eine ungebrochene, gleichwohl flexible Renitenz gegenüber der Zensur durch seinen (sonst aufgeklärt-toleranten) königlichen Schutzherrn. Er liess die verbotene "Seneca-Einleitung" heimlich als Separatdruck neu erscheinen und brachte ein weiteres "anstössiges" Buch neu heraus: die stark revidierte und erweiterte Fassung seiner Schrift "La Volupté" (Die Wollust) von 1747. Es erschien 1751 unter dem Titel "L'art de jouir" (Die Kunst des Geniessens). La Mettrie hielt diese Schrift für seine nach dem "Discours sur la bonheur" wichtigste. Sie hat heute auch deshalb Bedeutung, weil sie belegt, dass die in letzter Zeit gern gepflegte Sichtweise, wonach de Sade in wesentlicher Hinsicht Nachfolger La Mettries sei, nicht zu rechtfertigen ist.
Der Anhang enthält u.a. Auszüge aus La Mettries letzter,
lange Zeit verschollen gewesener Schrift "Le petit homme à longue
queue", die gewissermassen einen vorgezogenen Nachruf auf sich selbst
enthält. La Mettrie sah offenbar sein baldiges Ende kommen. Tatsächlich
starb er wenige Wochen später infolge eines als "gastronomischer Unfall"
kolportierten, nie näher aufgeklärten Vorgangs.
Der Band enthält alle wichtigen "Kleinen Schriften" Stirners, im einzelnen:
Über Schulgesetze /
Christentum und Antichristentum /
Gegenwort.../
Über B. Bauers "Posaune des jüngsten Gerichts" /
Das unwahre Prinzip unserer Erziehung,
oder: Humanismus und Realismus /
Kunst und Religion /
Über die Verpflichtung der Staatsbürger zu irgendeinem Religionsbekenntnis /
Einiges Vorläufige vom Liebesstaat /
Über "Die Mysterien von Paris" (Eugène Sue) /
Rezensenten Stirners /
Die philosophischen Reaktionäre.
Das Werk von Wilhelm Reich, dem dritten Protagonisten des LSR-Projekts,
ist ausserordentlich vielschichtig (vgl. Bibliographie in Bernd A. Laska:
Wilhelm Reich (1981). 5., überarb. Aufl.1999, Reinbek: Rowohlt, Bildmonographie, Band 50298) und aus verschiedenen
Gründen sehr schwer kompetent zu beurteilen. Es wurde zudem zeitweilig
von einigen "68ern", später von einzelnen "körperpsychotherapeutischen"
oder esoterischen, auch "orgonomisch" ausgerichteten Schulen partiell
vereinnahmt, so dass es heute mehr denn je einem Palimpsest
gleicht, dessen authentische, für das LSR-Projekt allein relevante
Schicht erst nach Entfernung vieler Überlagerungen kenntlich zu machen
ist. Insofern wäre ein Quellenband mit ausgewählten Texten durchaus
wünschenswert. Er ist jedoch derzeit aus urheberrechtlichen Gründen
nicht realisierbar.
[Mehr über Reich]
Stirner-Studien ist der Name einer seit 1994 im LSR-Verlag erscheinenden Schriftenreihe (lieferbar unter ISSN 1431-3693 und ISBN 3-922058-61ff.)
Max Stirners Werk, das im wesentlichen aus nur einem Buch besteht ("Der Einzige und sein Eigentum" 1844), hat eine sonderbare Rezeption erfahren. "Der Einzige" verursachte erst grosses Aufsehen, verschwand aber bald, noch deutlich vor "1848", aus der öffentlichen Diskussion und blieb ein halbes Jahrhundert lang in Vergessenheit. Danach gab es zwei Stirner-Renaissancen: die erste ab ca.1893 bis in die 20er Jahre und (nach wiederum einem halben Jahrhundert der Vergessenheit) ab 1968 die zweite, die noch anhält. In beiden Perioden erschienen unverhältnismässig viele Monographien und Aufsätze über den "Einzigen", und sie kamen fast immer zu dem gleichen Fazit, das ohnehin seit je in den Handbüchern steht: nämlich, dass Stirner eine extreme "subjektivistische" Position vertrete und jedenfalls nur eine kuriose Randerscheinung der Geistesgeschichte sei. Warum dann aber die zahlreichen Veröffentlichungen? Warum die oft sehr engagierten Verurteilungen des "Einzigen"? Auch: warum das öffentliche Schweigen "grosser" Denker, die privatim mit ihm gerungen haben?
Angesichts der Besonderheiten der Stirner-Rezeption beginnen die "Stirner-Studien" als Tertiärliteratur: mit Analysen der Sekundärliteratur zum "Einzigen", ergänzt durch teilweise detektivische Recherchen, die zumindest bei einigen der schweigsamen "Grossen" erstaunliche Beziehungen zu Stirner aufzudecken vermochten. Der sich im Verlauf dieser Studien ständig verstärkende Eindruck, dass hier ein kollektives Ausweichen vor der nie klar identifizierten Kernidee Stirners vorliegt, das viele Denker sehr unterschiedlicher Richtungen vereint, führte den Initiator der "Stirner-Studien", Bernd A. Laska, zu der These, Stirners "Einziger" sei so etwas wie ein "hapax legomenon" im Text der europäischen Philosophie (dessen Bedeutung man allerdings ahnt und fürchtet), seine "differentia specifica" sei noch immer unbekannt (weil nie wirklich gesucht). Ihr wird deshalb ein gesonderter Band der "Stirner-Studien" gewidmet.
Eine derartig mächtige geistesgeschichtliche Tendenz lässt sich nicht durch eine schlichte "Richtigstellung" konterkarieren. Die Erforschung ihrer Antriebe kann aber zum Verständnis des Schicksals des philosophischen, näherhin des aufklärerischen Denkens der letzten 150 Jahre einen so entscheidenden Beitrag leisten, dass die Überwindung seines jetzigen desolaten Zustandes wieder möglich erscheint.
Zunächst freilich ist dieses Ausweichen vor Stirner bzw. dessen essentiellem Gedanken, da es natürlich nie als solches firmierte (es tarnte sich sogar manchmal stirnerianisch), so prägnant wie möglich in all seinen Varianten zu dokumentieren. Erst wenn auf diese Weise das Problem exponiert und unabweisbar bewusst gemacht worden ist, kann - und muss - inhaltlich dargelegt werden, wovor denn eigentlich so viele, darunter sehr berühmte, Denker zurückgeschreckt und ausgewichen sind. Dementsprechend ist die Erscheinungsfolge der "Stirner-Studien" angelegt. Bisher sind erschienen:
Die Geschichte der deutschen Editionen von Stirners "Einzigem" ist keineswegs ein langweiliger Stoff. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Hauptinitiatoren der sog. Stirner-Renaissancen erstaunlicherweise entschiedene Gegner Stirners waren. Paul Lauterbach, der Herausgeber der Reclam-Editionen von 1892ff, war glühender Nietzscheaner, und Hans G. Helms, der 1968 die erste (stark gekürzte) Ausgabe des "Einzigen" nach 1945 edierte, war dogmatischer Marxist (wie auch Ahlrich Meyer, der den seit 1972 bei Reclam wieder ungekürzt erscheinenden "Einzigen" herausgab und kommentierte). Von besonderem Interesse ist dabei: 1) Welche Motive hatten diese Männer, sich vehement für die Publikation einer von ihnen für extrem gefährlich gehaltenen, dabei jeweils fast vergessenen Schrift einzusetzen? 2) Wie ist ihr Aktivismus sinnvoll als Ausweichen vor Stirner zu interpretieren?
Stirners "Einziger" war, ohne dass er als Bestseller auffiel, nicht nur ein buchhändlerischer, er war auch -- versteht man HIT im eigentlichen Sinne als Schlag oder Treffer -- ein intellektueller Hit, und hier nun im vollen Wortsinn ein heimlicher. Denn er bewirkte seit seinem ersten Erscheinen sowohl bei den wichtigsten seiner direkten Adressaten (Feuerbach, Ruge, Engels, insbesondere Marx) als auch bei vielen seiner späteren Leser geistige Erschütterungen, die sie sorgsam vor der Öffentlichkeit verbargen (und schliesslich, verdrängend, auch vor sich). (Siehe "Stirner-Studien" Nr. 2)
Die Geschichte, warum und wie Marx (mit Engels und Hess) seinen gewaltigen Anti-Stirner ("Die Deutsche Ideologie") schrieb; warum und wie er es dann deichselte, dass dieser nicht veröffentlicht wurde; wie Marx den "historischen Materialismus" als philosophische Grundlage seiner späteren politischen/ökonomischen Analysen konzipierte; wie und warum Legionen von Marxforschern aller weltanschaulichen Richtungen gegen massive Evidenz Stirners Rolle in Marx' Entwicklung bagatellisiert oder gar ignoriert haben; warum sie die Natur des Sieges von Marx über Stirner kaum untersucht haben; diese Geschichte ist so komplex, dass sie in einem separaten Band (SS#4) dargestellt werden muss. Analoges gilt für Nietzsches Reaktion auf und Sieg über Stirner sowie das Verhalten der Legionen von Nietzscheforschern (SS#5).
Während also die beiden historisch wirkungsmächtigsten, stillschweigenden "Überwinder" Stirners, Marx und Nietzsche, in diesem Band nur summarisch abgehandelt sind, werden die Reaktionen einer Reihe ebenfalls recht einflussreicher Denker auf Stirner in 22 konzisen Kapiteln prägnant dokumentiert. Einige Namen: Feuerbach, Bauer, Daumer, Ruge, E.v.Hartmann, Steiner, Mackay, Jodl, Joël, Max Adler, Gustav Landauer, Mauthner, Kropotkin, Klages, Kelsen, Husserl, Löwith, Buber, Carl Schmitt, Jünger, Adorno, Habermas, Althusser, Hermann Schmitz... Eines ist allen diesen Denkern gemein: Sie haben Stirners "Einzigen" durchaus nicht geringgeschätzt, sind aber einer tieferen, argumentativen Auseinandersetzung mit ihm ausgewichen, stillschweigend oder wortreich. Die Rezeptionsgeschichte des "Einzigen" war, wie die hier gebotene Synopse eindrucksvoll demonstriert, eine Repulsions- und Dezeptionsgeschichte.
Die möglichen Gründe dafür werden in diesem Band nicht
erörtert. Im Laufe der Untersuchung zeichnet sich jedoch ab, dass
es inhaltlich um das zentrale, gleichwohl heute mehr denn je gemiedene
Problem neuzeitlicher philosophischer Reflexion geht: um die schleichende
Paralyse und Verkümmerung der "Aufklärung" synchron mit ihrem
(vermeintlichen) Siegeszug. Um ein Problem von dieser Dimension (theoretisch)
anzugehen, wird später zu zeigen sein, in welchen grösseren historischen
Kontext Stirner zu stellen ist: mittels weiterer Studien des "LSR-Projektes",
welches hier in einem abschliessenden Kapitel umrissen wird.
Dies ist die erste der Detailstudien zur Wirkung Stirners auf einzelne Denker (eine auf mehr als das Doppelte erweiterte Fassung eines Vortrags auf dem Kongress "Max Stirner e l'individualismo moderno", Napoli, 10.-12. Nov. 1994). Schmitt und Jünger, die oft in einem Atem als langjährige Freunde genannt werden, reagierten zu verschiedenen Zeiten und auf gegensätzliche Weise auf Stirner. Während im Falle Schmitt Stirner von Jugend an ein stark verdrängtes "Arcanum" seiner intellektuellen Entwicklung war, dessen Aufdeckung (u.a.) ein besseres Verständnis einiger seiner auch für Kenner oft "änigmatisch" gebliebenen Begriffe und Philosopheme ermöglicht, liess sich Jünger erst in hohem Alter und nicht ohne insgeheim sarkastischen Bezug zu jener Haltung Schmitts betont "nonchalant" und scheinbar affirmativ auf Stirner ein. Der Band enthält zudem ein (inhaltliches) Kapitel über Stirners zentrale "Gestalt" des "Eigners", um zu zeigen, dass sowohl Schmitts als auch Jüngers zentrale "Gestalten" zu ihr im Gegensatz stehen.