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Pierre-Ramus-Gesellschaft, Wien
Jetzt auch im eigener Homepage Internet unter: www.ramus.at

 
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Pierre Ramus (Rudolf Großmann)

 
Geboren 1883 in Wien, libertärer Denker, Agitator und Schriftsteller. Seine anarchistische Theorie bezieht ihre Substanz unter anderem aus den Lehren William Godwins, Peter Kropotkins, Francisco Ferrers, Leo A. Tolstojs und Max Stirners. Besonders  hervorhebenswert sind sein antimilitaristisches Engagement und sein Eintreten für eine freie antiautoritäre Erziehung, für eine genossenschaftliche Ökonomie sowie seine kritischen Auseinandersetzungen mit Ludwig Mises, Rudolf Goldscheid und mit dem Marx´schen Gedankengut. Ramus wirkte in den USA, in England und in Österreich; er starb 1942 auf der Flucht vor den Nazi-Schergen.   

Pierre Ramus (1883-1942)

 

Die Pierre-Ramus-Gesellschaft setzt sich zum Ziel, das Erbe Pierre Ramus mit aktuellen Bezügen herauszuarbeiten und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei sollen vor allem folgende Themen Beachtung finden:
 

Wirtschaftsordnung:

Seit dem Zusammenbruch des "Kasernenhof-Sozialismus" sowjetischer Prägung ist es besonders evident geworden: Auch der "übrig gebliebene" Kapitalismus hat seine häufig gepriesene Problemlösungskapazität eingebüßt. Wirtschaftskrisen, ökologische Defekte und Phänomene wie die "Neue Armut" bestehen innerhalb eines weltumspannenden Kapitalismus als unüberwindliche Hürden.

Das Gesicht des kapitalistischen Systems ist bestimmt von verschiedenen Formen des Monopolismus (Geld, Monopoleigentum, Grund und Boden), die ausbeuterische Beziehungen in der Ökonomie möglich machen. In Zeiten schrumpfender Nachfrage auf den Arbeitsmärkten steigern z. B. monopolisierte Verfügungsrechte über Produktionsmittel die Macht der "Arbeitgeber". Lohndruck, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Schwächung der Gewerkschaften sind die Folge.

Zu definieren ist Kapitalismus als ein Gesellschaftssystem, in dem Kapital (Geld- und Sachkapital) den dominierenden Produktionsfaktor bildet. Davon zu unterscheiden wäre der Begriff der Marktwirtschaft, mit dem eine Ordnung beschrieben wird, deren Funktionsweise von "Marktsignalen" wie etwa dem Preis (als Knappheitsindikator) bestimmt wird. Annäherungswürdig erscheint jenes ökonomische Modell, in dem die Vorteile eines monopolbereinigten Marktsystems mit assoziativen Formen des Wirtschaftens kombiniert werden.
Darüber hinaus trat Pierre Ramus für eine Form der Wirtschaftsgestaltung ein, die dem nach 1945 verwirklichten französischen System der "Planification" ähnelt. Expertenstäbe und Statistiker erarbeiteten demnach Bedarfstabellen und Prognosen, an denen die Unternehmen ihre kurz- und mittelfristigen Entscheidungen orientieren konnten.
 

Geld und Verteilung:

Die herrschende Geldordnung ist nicht nur in gefährlicher Weise krisenanfällig, sie führt über die "Privatsteuer" Zins zu einer sozial
unausgewogenen Vermögensverteilung. Gelderträge fließen - vom öffentlichen Sektor nur unzureichend erfaßt - dort am meisten zu,  wo bereits große Vermögen akkumuliert existieren. Massive soziale Ungleichgewichte sind damit vorprogrammiert. Das Finanzkapital fordert mehr Geldzins, als der Produktionssektor zu erarbeiten imstande ist. Auch wissenschaftlich geschulte Ökonomen müssen inzwischen zugeben, daß das Geldsystem seit geraumer Zeit nicht mehr imstande ist, die "wirtschaftliche Realität" abzubilden.
 

Problemfeld "Dritte Welt":

Auch in den Ländern der "Dritten Welt", denen der Kapitalismus lange Zeit als "Entwicklungshilfe-Instrument" schlechthin empfohlen wurde, hat der Weg einer gedankenlosen "Modernisierung" seine Zukunftsfähigkeit verloren. Es ist heute die Frage zu stellen, ob die aus dem Zeitalter des klassischen Imperialismus stammenden Verheerungen überhaupt noch reparabel sind. Ursprünglich funktionierende soziale Strukturen sind zerstört, Almosen und "Entwicklungshilfe" nutzten mehr "Gebern" als den "Nehmern". Im Vordergrund steht zur Zeit besonders das Schuldenproblem der "Dritten Welt". Zins und Zinseszins beschleunigen den Lauf der Schuldenspirale, zwischen 1987 und 1992 erhöhte sich der Forderungsbestand der Gläubigerstaaten von rund 1.000 Mrd. US-Dollar auf etwa 1.500 Mrd. US-Dollar. Der Erlaß von Schuldenrückzahlungen kann unter den gegebenen Umständen nur eine erste Maßnahme zur Entschärfung der Situation  darstellen.
 

Wohnen, Grund und Boden:

Grund und Boden wird von jedem Menschen benötigt, wie das Trinkwasser oder die Atemluft. Die auf dem Privateigentum basierende  Rechtsordnung schränkt den Zugang zu Grund und  Boden aber monopolistisch ein. Mit anderen Worten: Wenige Menschen verfügen  über Grund und Boden, benötigt wird dieser aber von allen. Wäre unsere Welt mit ihren rund 5 Mrd. Menschen ein Dorf mit 100 Familien, dann besäßen 7 Familien 60 Prozent des fruchtbaren Ackerlandes. Der Eigentümer des Bodens hat den Vorteil, durch sein  Verfügungsrecht Monopoltribute (Pachtzins, Bodenwertsteigerungen, Spekulationsgewinne) abschöpfen zu können. Die Kosten der  Monopolrenten hat die Allgemeinheit abzudecken, wie schon der Ökonom Franz Oppenheimer nachgewiesen hat. (Franz Oppenheimer, Die soziale Frage und der Sozialismus, Jena 1913, S.13f) Mit dem Privateigentum an Grund und Boden wird ein Zustand zementiert, der  besonders in Zeiten steigender Wohnungskosten als sozial unverträglich  bezeichnet werden muß.
 

Arbeit und Basiseinkommen:

In den letzten Jahrzehnten ist klar geworden, daß das Arbeitsethos  puritanischer Herkunft eine Zugkraft nicht beibehalten wird. Mehr Zeit zum  Leben und weniger Zeit für Arbeit ist ein unverkennbarer Wunsch vieler  Menschen in unserer Gesellschaft geworden. Die ökonomischen Verhältnisse  sind heute so gelagert, daß solchen Ansprüchen unschwer Rechnung getragen  werden kann. Die hohen technischen Standards lassen den Produktionsfaktor  Arbeit immer mehr verzichtbar erscheinen. Soziale Integration wird in der  Zukunft immer weniger durch Teilnahme am Arbeitsprozeß gesichert sein. Es  ist daher sinnvoll, "Teilnahme" am gesellschaftlichen  Prozeß über  sogenannte Grundeinkommen ohne Arbeit sicherzustellen. Übrigens:  Traditionelle Vollbeschäftigungspolitik in der westlichen Welt würde, wie  seriöse Studien ergeben, mehr als 5% Wirtschaftswachstum erfordern. Das  Anpeilen solcher Wachstumsraten ist illusorisch und mit ökologischen Zielsetzungen völlig unvereinbar.
 

Reformpädagogik und "Moderne Schule":

Jene Macht den Herrschenden zu entziehen, die in der Unwissenheit des  Volkes liegt, zählte der Aufklärer Pierre Ramus zu seinen vordringlichsten  Anliegen. Für Ramus galt es in diesem Zusammenhang, besonders die  herkömmliche Schule als zentrales Disziplinierungsinstrument zu enttarnen,  und übereinstimmend mit Francisco Ferrer meinte er: "Physisch, geistig und  moralisch kerkert die Schule Kinder ein, um die Entwicklung in gewünschte  Pfade zu lenken." Gefördert wird in schulischen Rahmen primär jener Typus,  der seine Kraft und seine Fähigkeiten zur Aufrechterhaltung der bestehenden  Verhältnisse einzusetzen bereit sei. Sich manipulieren zu lassen und auf  mehr oder weniger "sanften Druck" zu reagieren, wird so von Kindesbeinen an  gelernt. Nach dem libertären Prinzip ist aber nur die freie, der  Spontanität des Kindes entsprechende Schule geeignet, den einzelnen zu  einem selbstbestimmten Erwachsenendasein finden zu lassen.
 

Antimilitarismus und Gewaltlosigkeit:

"Jede Eroberung der staatlichen Macht - und dies ist der Inbegriff einer  jeden politischen Revolution - bedarf der Gewalt. Wir wollen und erstreben  die vollständige Vernichtung jeder Macht als politisch-soziales Zentrum  innerhalb der Gesellschaft. Darum können wir uns nicht der Gewalt bedienen,  sondern müssen sie zur Auflösung bringen, was nur durch die Gewaltlosigkeit  erreicht werden kann.

Die politische Revolution bedarf als ihres Mittels der Gewalt; die soziale  Revolution bedarf als ihres Mittels der Gewaltlosigkeit.

Wir ... wollen die Zerstörung der Waffengewalt, weil sie die Grundlage des  kapitalistischen Eigentumsmonopols und des Staatsprinzips ist. Um diese  Zerstörung zu erlangen, ist nötig:

a. Die geistige und psychische Massenverweigerung des Waffendienstes  durch die Arbeitenden;

b. die geistige und die psychische Massenverweigerung jeglicher  Erzeugung von Waffen und Mordwerkzeugen;

c. die materielle und sabotierende Zerstörung sämtlicher Waffen- und  Rüstungsbestände; die Verhinderung von deren Gebrauch  und aller  strategischen Verkehrsnotwendigkeiten für sie und die Verweigerung jedweder  Arbeitsleistung und Nahrungsabgabe an alle bewaffneten Körperschaften, die  ihre Waffen nicht freiwillig der Vernichtung überantworten.

Diese Methoden sind die wesentlichsten Übergangsmethoden der sozialen  Revolution. Sie beinhalten keine Gewalt, sondern sie  entziehen der Gewalt  die Möglichkeit und jedwedes Gebiet ihrer Betätigung." (Pierre Ramus)
 

 


AKTIVITÄTEN DER PIERRE-RAMUS-GESELLSCHAFT: Die Pierre-Ramus-Gesellschaft wurde 1992 anläßlich des 50-ten Todesjahres  Pierre Ramus ins Leben gerufen.  Seit 1993 erscheint die "Erkenntnis. Zeitschrift der Pierre-Ramus-Gesellschaft", die sich um eine Aufarbeitung  sowohl klassischer als auch aktueller Themen  aus dem Blickwinkel der  libertären Position  annimmt.

Das I. Pierre-Ramus-Symposion fand im November 1992 im Republikanischen  Club in Wien statt. Mitwirkende waren: Gerfried Brandstetter, Ferdinand  Groß, Ottwald John, Adi Rasworschegg, Dieter Schrage, Gerhard Senft, Peter  Stipkovics sowie Karl Flanner und Victor Matjeka mit aufgezeichneten  Beiträgen.

Das II. Pierre-Ramus-Symposion fand im November 1995 im Wiener  Literaturhaus statt. Mitwirkende waren: Maria Böhmberger, Ferdinand Groß,  Helmut Hafner, Adi Rasworschegg, Dieter Schrage, Gerhard Senft, Frederic  Serre, Herbert Steiner, Peter Stipkovics und Václav Tomek.
 
 
Kontakt zur Pierre Ramus-Gesellschaft, eMail: info@ramus.at; Homepage: www.ramus.at
 

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Zuletzt aktualisiert am 7. März 2003 / © DadA Berlin/Köln; info@dadaweb.de