Die aktuelle DadA-Buchvorstellung
Nr.1 (Neuerscheinungen)
 

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Diese Rubrik informiert in Form von Kurzbesprechungen über Neuerscheinungen zu libertären Themen. Alle hier besprochenen Titel werden gleichzeitig auch in unserer Datenbank erfaßt. Verlage, die Interesse an einer Besprechung ihrer Neuerscheinung (und an einem Titeleintrag in der DadA-Literaturdokumentation) haben, können das entsprechende Rezensionsexemplar (und ggf. auch ergänzende Verlagsinfos) an die DadA-Sektion Berlin/Potsdam schicken. Postanschrift: DadA Berlin/Potsdam: Postfach 800162, D-14427 Potsdam


Günter Bartsch
Wer die Freiheit nicht lebt, den tötet sie. Porträts einiger Denker und Täter

Originalausg. Tübingen : Noûs-Verlag, 1995. 144 S. - ISBN 3-924249-16-4. DM 34,00.

INHALT:
Kurzes Geleit // I. Libertäre Denker und Täter: 1. Pierre PROUDHON (Gegenseitigkeit oder Kommunismus?; Mehrwert - Diebstahl oder Kollektivkraft?; Statt des Dachs das Fundament erneuern; Eigentum als Diebstahl und als Institution der Gerechtigkeit; Vom Staat zum Föderativsystem; Mutualismus und Klassenkampf; Wirtschaftsreform; Der geschichtliche Rhythmus) / 2. Michael BAKUNIN (Revolte als Freiheitsprinzip und Entwicklungsgesetz; Zeugnisse; Revolutionierung des Freiheitsbegriffs; Viermal auf den Barrikaden; In Ketten; Vom Sträfling zum Berater des Gouverneurs;. Weltrevolutionäre Geheimbünde; Soziale Revolution oder Staatskommunismus?; Die revolutionäre Commune von Lyon; Zuerst die Regierungsgebäude anzünden;. Sein letzter Aufstand; Die Regeneration und der Tod) / 3. Peter KROPOTKIN (Freie Vereinbarung und gegenseitige Hilfe; Zarenpage; Sibirische Erlebnisse; Ethischer Nihilist; Entwurf einer libertär-anarchistischen Gesellschaftsform; Aufrührer und Gefängnisgärtner; Gegenseitige Hilfe und Sozialdarwinismus; KROPOTKIN und LENIN) / 4. Rudolf ROCKER (Die Freiheit will gelebt werden, sonst bringt sie dich um; Nachtrag zu ROCKER) // II. Kontrapersonen: 1. August WINNIG (Die Geburt einer neuen Sozialidee aus national-revolutionärem Geist; Porträt eines vergessenen Arbeiterführers; Grunderlebnisse; Sozialist im Schmelztiegel; Arbeiter und Proletarier; Gewerkschaftsbauer und Redakteur; Die Sozialwissenschaftliche Gesellschaft; Ein historisches Gespräch [zwischen Rosa LUXEMBURG u. August WINNIG]; Reichskommissar; Neubau des Reiches; HITLERS Angelrute; Am Kreuzweg der Geschichte; Eine unvergängliche Idee?) / 2. Sergej NETSCHATEW (Die Revolution heiligt alles).

ABSTRACT:
Bartsch ist der Anarchismusforschung vor allem durch seine umfangreiche Arbeit über den "Anarchismus in Deutschland" (1945-1973) bekannt. Seitdem hat Bartsch diverse kleinere Arbeiten über den Anarchismus und andere sog. "soziale Sonderbewegungen" (wie Freiwirtschaftsbewegung, religiöser Sozialismus, Nationalrevolutionäre, Trotzkismus, usw.) vorgelegt. Diese jüngste Veröffentlichung von Bartsch zählt nicht zu seinen stärksten. Der Autor skizziert im ersten Teil Leben und Werk von Michail Bakunin, Pjotr Kropotkin und Rudolf Rocker. Alle drei haben einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des klassischen Anarchismus bzw. des Anarchosyndikalismus gehabt. Hingegen wird Max Stirner, der ideologische Begründer des individualistischen Anarchismus, in dieser "Ahnengalerie" der klassischen Strömungen ausgespart, wodurch ein wichtiger Zweig des klassischen Anarchismus unberücksichtigt bleibt. Die Beschreibung der berücksichtigten Repräsentanten des Anarchismus geht nicht über das bereits Bekannte hinaus und gleitet gelegentlich zu sehr ins Anekdotische ab. Fehlende Quellenbelege machen eine Verifizierung der Darstellung unmöglich. Gänzlich unvermittelt bleibt die Kontrastierung der anarchistischen Repräsentanten mit den im zweiten Teil seiner Arbeit behandelten "Kontrapersonen", dem "Sozialpatrioten" und späteren Konservativen August Winnig und dem nihilistischen Terroristen Sergej Netschajew. Bartsch will mit dieser Gegenüberstellung "Denken und Handeln" der Libertären "klarer umreißen". Das aber gelingt ihm nicht, da er weder die Kriterien seiner Auswahl offenlegt noch die behandelten Personen einer vergleichenden Betrachtung unterzieht. Es drängt sich der Verdacht einer publizistischen "Resteverwertung" bisher unveröffentlichter biographischer Skizzen auf. Wären sie doch in dieser Zusammenstellung unveröffentlicht geblieben. [js]
 


Alfredo M. Bonanno
Max Stirner und der Sozialismus

Hrsg. v. Jochen Knoblauch; aus d. Ital. u. Vorbemerkung v. Egon Günther. Dt. Erstausgabe. Berlin/Bern : espero (Berlin) u. Edition Anares (Bern), 1996. 30 S. (= espero-Sonderheft; Nr.2). - ISBN 3-905052-61-X. DM 6,00

Der Verfasser skizziert in seiner 1977 erstellten Arbeit die internationale Rezeptionsgeschichte der Stirnerschen Ideen. Besonderes Augenmerk widmet Bonanno dabei der Rezeption durch den deutschen Linkshegelianismus (Frühsozialismus), der anarcho-kommunistischen Kritik Stirners sowie dem Einfluß Stirnerscher Ideen auf einige Repräsentanten der "Propaganda der Tat". (Regionale Schwerpunkte seiner Untersuchung: Deutschland, Frankreich, Italien, USA) [js.]

Bezugsadresse: Uwe Timm, Wulmstorfer Moor 34b, 21629 Neu Wulmstorf
 


Hans Nowicki
Von Max Stirner zur gegenwärtigen antipädagogischen Diskussion

Zugl. Diplomarbeit am FB Erziehungswissenschaften der Univ. Dortmund (März 1995). Dortmund : Edition Herwig Schmidt, 1995. 118 S. DM 16,80. - ISBN 3-930355-03-5

HILFSMITTEL: Literaturverzeichnis u. Personenregister.

INHALT:
1. Einleitung // 2. Zum Verständnis des Anarchismus eine historische Skizze anarchistischer Theoretiker und Theorien: 2.1. William Godwin (1756-1836) / 2.2. Pierre Joseph Proudhon (1809-1864) / 2.3. Michail Bakunin (1814-1876) / 2.4. Peter Kropotkin (1842-1921) / 2.5. Individualistischer Anarchismus / 2.6. Zur Geschichte anarchistischer Bewegungen (2.6.1. Die Machnobewegung in der Ukraine; 2.6.2. Die Kommune von Kronstadt; 2.6.3. Der Spanische Bürgerkrieg) // 3. Johann Caspar Schmidt (1806-1856): 3.1. Der Einzige und sein Eigentum (Reaktion und Rezeption) / 3.2. Stirners Egoismusbegriff und die Besessenheit / 3.3. Einzigkeit, Eigenheit, Freiheit / 3.4. Der Eigenwille / 3.5. Stirners Staatskritik / 3.6. Der Verein von Egoisten // 4. Antipädagogik des 20. Jahrhunderts // 5. Antipädagogische Aspekte in der Theorie des Anarchismus: 5.1. Antipädagogik bei Stirner / 5.2. Antipädagogik bei Walther Borgius / 5.3. Antipädagogik bei Friedrich Dobe / Exkurs: Der Stirnerianer Anselm Ruest / 5.4 Antipädagogik bei Olaf Asbach // 6 Anarchistische Aspekte in der Theorie der Antipädagogik / 7 Schluß \\

ABSTRACT:
Hans Nowicki versucht in seiner Studie die enge Beziehung zwischen den klassischen anarchistischen Ideen und den Theorien der modernen Antipädagogik aufzuzeigen. Er konzentriert sich dabei vor allem auf Autoren, die als "Basisdenker des Anarchismus und der Antipädagogik" verstanden werden können und als solche von der "Fachwelt" anerkannt sind. Besonders berücksichtigt werden in seiner Untersuchung die anarchistischen Theorien von Max Stirner und die antipädagogischen Konzepte von Ekkehard von Braunmühl. An den Beginn seiner Studie hat Nowicki eine Skizze der wichtigsten Theoretiker des traditionellen Anarchismus (Godwin, Proudhon, Bakunin und Kropotkin) und der historischen Höhepunkte der internationalen anarchistischen Bewegung (Russische Revolution 1917-1921 und Spanischer Bürgerkrieg 1936-1939) gestellt. Daran anschließend werden die Ideen Max Stirners unter besonderer Berücksichtigung seiner Ansichten zu Erziehungsfragen dargestellt. Der Autor macht dabei deutlich, daß Stirner ausgehend von seiner anarchistischen Gesellschaftskritik im 19. Jahrhundert Positionen vertrat, die in vielen Punkten die moderne Antipädagogik des 20. Jahrhunderts antizipierten. Auch die sich an Stirner ideologisch orientierenden Repräsentanten des Individualanarchismus haben (wie die in der Studie berücksichtigten deutschen Libertären Walther Borgius, Friedrich Dobe, Anselm Ruest und Olaf Asbach) sich häufig bevorzugt mit Erziehungsfragen beschäftigten und sind dabei zu antipädagogischen Aussagen gekommen. Der Darstellung der anarchistischen Positionen folgt unter besonderer Berücksichtigung Ekkehard von Braunmühls eine kritische Beschreibung der Kernaussagen der modernen Antipädagogik. In seiner vergleichenden Untersuchung des Anarchismus und der Antipädagogik kommt Nowicki zu folgenden Schlußfolgerungen:

Antipädagogische Gedankengänge durchziehen von jeher die Theorie des Anarchismus. "Die strikte Ablehnung jeder Form von Herrschaft deckt sich völlig mit der Einstellung der Antipädagogik, Herrschaftsverhältnisse gegenüber Kindern zu verwerfen. Konsequent zu Ende gedachter Anarchismus muß also die Antipädagogik in seine Theorie mit einbeziehen.

Daraus kann aber umgekehrt nicht abgeleitet werden, daß ein Antipädagoge automatisch Anarchist ist. (...) Ein Antipädagoge kann, aus welchen Gründen auch immer, die Existenz eines Staates zur Regelung des menschlichen Gemeinwesens für notwendig erachten, in bezug auf Kinder hingegen jede Form von Herrschaftsausübung ablehnen. Allerdings ist die Geistesverwandtschaft von Anarchismus und Antipädagogik so groß, daß der konsequente Antipädagoge eigentlich ein klares Bekenntnis zum Anarchismus ablegen müßte. (...)

Besteht nun aber ein inhaltlicher und gedanklicher Zusammenhang zwischen Antipädagogik und Anarchismus ... , dann könnte, ausgelöst durch die antipädagogische Diskussion der letzten Jahre, der Anarchismus zu neuer Aktualität gelangen. Unter der Voraussetzung, daß Staaten zum Erhalt ihrer Existenz Menschen mit Untertanengeist benötigen, und unter der weiteren Voraussetzung, daß frei aufgewachsene Kinder diesen nicht bzw. kaum entwickeln, könnte die Antipädagogik einen Beitrag dazu leisten, an den Grundfesten des Staatswesens zu rütteln. Für die Theorie des Anarchismus wäre sie somit eine attraktive Ergänzung." [Bearb. js]
 


Max Nettlau
Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886.

Hrsg. u. bearb. von Heiner Becker. Erw. Reprint d. Orig.: Berlin: ASY-Verlag, 1931. Münster : Bibliothek Thélème, 1996. XXXVI, 431 S.: 12 Abb.. (= Geschichte der Anarchie; Bd.3). - DM 42,00 (Pb); DM 62,00 (Ln). - ISBN 3-930819-06-6 (Pb); 3-930819-07-4 (Ln)

INHALT:
[Ergänzung zum Reprint: Einleitung von Heiner Becker / Max Nettlau: Anarchisten und Sozialrevolutionäre (Resümee aus dem Jahre 1930) / Illustrationen] // I. Zur Entstehungsgeschichte des kommunistischen Anarchismus in den Jahren 1876 bis 1880 / II. Peter Kropotkin vom Oktober 1880 bis zu seiner Gefangen schaft seit Dezember 1882, in Genf, London und Thonon / III. Paul Brousse und die französische Internationale (1877-78). Die sozialistische Bewegung in Frankreich seit 1878 und der Rücktritt und die spätere Tätigkeit von Brousse / IV. Die anarchistischen Anfänge in Frankreich seit 1877, die Internationale und die ersten Gruppen. Die sozialistischen Kongresse von 1880 und 1881. Louise Michel / V. Die italienische Internationale von 1877 bis 1881 und der Abfall von Andrea Costa, 1879 / VI. Die spanische Internationale in ihrer Gesamtentwicklung seit Ende 1868 und ihr Übergang in die Landesföderation der Arbeiter Spaniens im Jahre 1881 / VII. Anarchistische Anfänge im deutschen Sprachgebiet bis 1878 Eugen Dühring / VIII. Johann Most und die Londoner Freiheit, 1879 bis zum Frühjahr 1881 / IX. Die Internationale seit 1877 und die Vorgeschichte des Londoner Kongresses (Juni 1880 bis Juni 1881) / X. Die Delegationen und Zustimmungserklärungen zum Londoner Kongreß, 1881 / XI. Die Verhandlungen des internationalen sozialrevolutionären Kongresses in London (14.-19. Juli 1881) nach unveröffentlichten Dokumenten / XII. Die französische anarchistische Bewegung vom Sommer 1881 bis Anfang 1885. Die Prozesse von Lyon und Paris (Louise Michel, Pouget). Die romanische Schweiz von 1883 bis zur Verlegung des Genfer Révolté nach Paris (März 1885) / XIII. Die italienische Bewegung vom Sommer 1881 bis Ende 1884; Malatesta in Ägypten, 1882; die italienische Internationale, 1883, 1884 und La Questione sociale (Florenz). F. S. Merlino und die Jahre 1885 1889 / XIV. Die spanische Landesföderationen in den Jahren 1881 bis 1886 kollektivistischer und kommunistischer Anarchismus. Der kosmopolitische anarchistische Kongreß von Barcelona, Juli 1885 / XV. Die anarchistische Propaganda und die sozialrevolutionären Aktionen in Deutschland, Österreich-Ungarn und der deutschsprechenden Schweiz vom Sommer 1881 bis 1886 / XVI. Die Anfänge des modernen Sozialismus in England. Joseph Lane. Die Socialist League. William Morris und Edward Carpenter. The Anarchist. Kropotkin und die Freedom Group, 1886 / XVII. Die sozialrevolutionäre und anarchistische Bewegung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1880-1886. Johann Most in New York. Der 4. Mai 1886 in Chicago. Dyer D. Lum und andere. Robert Reitzel / XVIII. Der Révolté in Paris, 1885. Kropotkins Gefängnisjahre seit 1883 und Freilassung, Januar 1886. Elisée Reclus. Die Überflußhypothese und Malatestas Kritik derselben. - Rückblicke und Ausblicke auf die vollere und harmonischere Entwicklung des Anarchismus seit 1886.

ABSTRACT:
Der dritte Band von Nettlaus "Geschichte der Anarchie" enthält (besonders in den Kapiteln VII-VIII u. XV) wichtige Materialien zu den Anfängen der sozialrevolutionären und anarchistischen Bewegung im deutschen Sprachraum. Wie die bereits erschienenen ersten zwei Bände (Münster 1993) wurde auch die Neuausgabe des dritten Bandes sehr sorgfältig redigiert. Ergänzt wurde der Reprint der Originalausgabe durch eine kenntnisreiche Einleitung des Herausgebers zur Entstehungsgeschichte des Werkes und zur Vita des Autors, den Abdruck einer von Nettlau 1930 veröffentlichen Selbstbeschreibung des Werkes, einen Bildteil sowie durch ein neues Errata und ein ebenfalls neu erstelltes Register der Personen und Periodika. Heiner Becker, der Herausgeber dieser Neuausgabe, charakterisiert die Besonderheiten des dritten Bandes und die in ihn deutlich werdende veränderte politische Einstellung des Autors wie folgt:

"In mehr als einer Hinsicht unterscheiden sich der vorliegende Band und die nachfolgenden Teile der Geschichte der Anarchie von den beiden vorangehenden. Auch wenn es grundsätzlich eine Ideengeschichte bleibt, nehmen «die Bewegung» oder jedenfalls einige ihrer Vertreter in ganz anderem Maße teil, nicht nur durch die auf Nettlaus Briefe, Fragebogen oder persönlichen Interviews mitgeteilten Antworten und Informationen, die mitunter, ohne daß das immer deutlich wird, fast wörtlich in den Text einmontiert sind, sondern auch durch Zusendung von Archivmaterial. (...)
Daneben allerdings beginnt mit diesem Band auch die Zeit, in der Nettlau selbst an der sozialistischen bzw. anarchistischen Bewegung teilnahm, und die Darstellung und «Verdauung» der Geschichte der Bewegung war für Nettlau in mancher Hinsicht auch die Auseinandersetzung mit den eigenen «Jugendsünden». Dies geht sicherlich über die gelegentlichen «diskreten» Hinweise hinaus. (...) Letztendlich ging es dabei immer um die grundlegende Frage(n): Was ist schief gelaufen, was hätte anders gemacht werden müssen, was kann aus den Erfahrungen gelernt werden? (...) Dabei ist das häufig nicht genannte Ziel vieler kritischer Anmerkungen natürlich Kropotkin (bei einem gewissen Teil dieser Kritik hat Nettlau allerdings sich selbst mit im Blick, denn er war auf jeden Fall bis Mitte der Neunziger Jahre ein eher vehementer «Anarcho-Kommunist», dessen kritischer Blick für Kropotkin sich, wie es gelegentlich scheint erst durch den persönlichen Kontakt geschärft hat... (...) Besonderes Augenmerk schenkt er dabei neben der Rolle Kropotkins und seiner Ideen den sonstigen (auch zum Teil von Kropotkin bekämpften) Entartungen des «Kommunismus» wie auch des «Individualismus»: Hintergrund für seine Darstellung ist dabei, daß Nettlau seit seiner zunehmenden Distanzierung vom anarchistischen Kommunismus eine besondere Sympathie für die verschiedenen Ausprägungen eines «Anarchismus ohne Adjektive» entwickelte und am Etikettenkampf einmal sehr prononciert teilnahm mit der Formel: «Anarchismus: kommunistisch oder individualistisch Beides».

Viele der kritisierten Auffassungen und Handlungsweisen (die seit Anfang der 1880er auftretenden «individuellen Enteignungsaktionen», die spezifische Form des Illegalismus; aber auch die innerhalb der Bewegung übliche rücksichtslose Ausbeutung der tatsächlich oder vermeintlich Bessergestellten in Verband mit der gleichzeitigen ideologischen Erledigung) erklärt Nettlau als «Kinderkrankheiten, denen eine bis dahin in Elitemilieus lebende Bewegung bei der Berührung mit einer großen Zahl ihr wesensfremder Elemente, besonders vieler sozialdemokratisch gedrillter in Deutschland und entwurzelter Großstadtleute in Paris usw. ausgesetzt war.» ... Sein Verständnis für die meisten «der seit 1880 von den Ideen» letztlich nur «gestreiften meist städtischen Elemente», die sich «in diesem Irrgarten vieler verführerischer Illusionen und recht kurzsichtiger Trugschlüsse» verloren, hielt sich in Grenzen auch wenn er grundsätzlich und unter bestimmten Voraussetzungen dem «Illegalismus» mit Sympathie gegenüberstand. Aber gerade auf dem Hintergrund der so populären Illusionen machte er «eine Neigung in der Richtung des geringsten Widerstandes» [aus], «die dann den wirklichen Kampf verdrängt und einfach zu einem Leben am Rande der Gesellschaft und auf Kosten der Gesellschaft, d. h. in letzter Linie der ohnedies ausgebeuteten Arbeitenden führt: ob der direkte Ausbeuter seinen Profit verzehrt oder ein anderer, der ihm denselben abnimmt, ist für den Arbeitenden gleichgültig. Er muß so höchstens eine größere Zahl Parasiten ernähren als eine kleinere und daß den so «ausgebeuteten» Ausbeutern dadurch die Freude am Eigentum vergeht ist unwahrscheinlich: sie ziehen die Zügel erst recht an, wenn sie Verluste haben »"
(Aus der Einleitung)


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Zuletzt aktualisiert am 20. Mai 1996 / © Projekt: DadA; info@dadaweb.de