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Abteilung: Literatur

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DadA-Literatur, Dok.-Nr.: DA-L0002328

Landauer, Gustav; Delf, H./ (H)
Dichter - Ketzer - Außenseiter: Essays und Reden zu Literatur, Philosophie und Judentum. - Hrsg. v. H. Delf. - Berlin: Akademie Verlag, 1997. - 290 S.
(Werkausgabe; 3)

ABSTRACT:
(Buchbesprechung in Graswurzelrevolution:) "Eine soeben erschienene Sammlung zumeist bereits veröffentlichter Essays und Reden Gustav Landauers beinhaltet u.a. Reflexionen über den Krieg und die Nation, über Goethe, Hölderlin, Georg Kaiser, Spinoza, Strindberg, Tagore, Tolstoj, Walt Whitman und vor allem über das Judentum. Erneut wird deutlich, daß diesem libertären Kulturkritiker mit seinen lebenspraktischen Entwürfen einer grundlegenden Revolutionierung der Gesellschaft eine zentrale Bedeutung für das freiheitlich-utopische Denken im 20. Jahrhundert gebührt. Sein zeitgemäßer Appell für ein sofortiges exemplarisches Beginnen zielt auf die radikale Umgestaltung des persönlichen Lebens jedes/jeder einzelnen und auf ein gewaltfreies Miteinander selbstverantwortlicher Individuen (...) Zentral sind hierbei Landauers Überlegungen zum Judentum. Seine Utopie einer humanen, freiheitlichen Gemeinschaftsordnung freiwillig vereinbarter, dezentraler, föderalistischer und genossenschaftlicher Lebenszusammenhänge war nachhaltig geprägt von seinem Judentum, dessen Nächstenliebe- und Gerechtigkeitsmotiven, den das Gemeinschaftsleben verkörpernden Traditionen sowie dessen kultureller Vielfalt: "Ich habe nicht die mindeste Anlage", schrieb er 1909, "die Freude an meinem Judentum auch nur einen Tag zu vergessen." Auch ohne religiösen Alltag gelangte er zu einer immer eindeutigeren Bejahung seiner jüdischen Herkunft. Zugleich lehnte er die Assimilation der westeuropäischen Diasporagemeinden strikt ab und hob die in Osteuropa lebenden Juden und Jüdinnen wegen deren Angleichungsverweigerung hervor. Die Zurückweisung jeglicher Assimilationsbestrebungen und das Bewußtsein, der jüdischen Nation anzugehören, bedeuteten für Landauer allerdings keineswegs, sich dem politischen Zionismus und dessen Zielsetzung einer Rückkehr aller Jüdinnen und Juden nach Palästina zuzuwenden. Die Lektüre der vorliegenden, größtenteils bekannten Nachdrucke zum Judentum - grundlegend sind vor allem "Sind das Ketzergedanken?" (1913), "Kiew" (1913) und "Ostjuden und Deutsches Reich" (1916) - verdeutlicht, daß Landauers Judentum weniger als Reaktion auf den grassierenden Antisemitismus in Europa vor dem Ersten Weltkrieg zu interpretieren ist, sondern wie auch bei Martin Buber vor allem kulturellen Impulsen eines engen Zusammenhanges zwischen Judentum und Menschheitsidee entsprang. Vor allem die Diaspora erschien ihm als der Ort, um die Idee des Judentums als Vorbote der Humanität unter die Menschen zu tragen. Im Prozeß eines neuen, sozialen Umgangs der Menschen untereinander maß er dem lebendigen Judentum eine bedeutende Vorreiterrolle zu. Seinen Freund Martin Buber ermahnte er: "Lerne zur Sache denken, und zugleich denken, daß Du als Jude denkst! Das Judentum ist eine Nation, die gewesen wird; für es, wie für alles Lebendige, wie zumal für das, was durchs Bewußtsein hindurch wieder eine Macht des Unbewußtseins werden soll, brauchen wir diese in der Grammatik ungebräuchliche Zeit." (5) Als bewußter Jude und überzeugter Libertärer hegte Landauer kein Interesse an einer nationalpolitischen Erneuerung des Judentums - konsequent lehnte er den politischen Nationalismus ab: "Die starke Betonung der eigenen Nationalität, auch wenn sie nicht in Chauvinismus ausartet, ist Schwäche." (6) Gleichwohl betrachtete er die Kibbuzbewegung in Palästina mit wachsendem Interesse, erkannte er in diesen jüdischen Kollektivsiedlungen Gemeinwesen, die seinen Vorstellungen eines libertären Kultursozialismus weitgehend entsprachen. (7) Zur 'Wiederherstellung' der Menschheit bezog sich Landauer auf den Begriff des "Bundes" in der hebräischen Bibel, den er in allen revolutionär-egalitären Bewegungen bis in die Neuzeit erkannte. Ihm schwebte ein lebendiges Judentum in der Diaspora vor, das schließlich zum "Bund der Vielfältigen" führen werde: "Wir Juden haben nicht bloß unser Amt an der Menschheit; die Wege, die die Menschheit nimmt, Umwege, Irrwege, schwere und gefährliche Wege, die Wege der anderen Völker werden auch um unsertwillen gegangen, sind auch unsre Wege. Sind nicht unser ganzer Weg, nehmen uns nichts von unserer besonderen Aufgabe ab, sind auch unser Weg." (8) Inmitten dieser Vielfalt sollte die jüdische Nation ihren Platz unter der Menschheit einnehmen, womit die jüdische Diaspora sowie der Antisemitismus endgültig beseitigt wären - ein Entwurf, den Martin Buber zur Lösung des Israel/Palästina-Konfliktes in der Konzeption der Binationalität mit dem Ziel weiterentwickelte, eine dauerhafte friedliche Koexistenz zwischen Juden/Jüdinnen und AraberInnen zu erreichen. (...)" Caspar Schmidt: "Hier Revolution. Wer dort?", Buchbesprechung in: Graswurzelrevolution, [Nr. 223, Internetausgabe]
[Bearb.: js]

Bearbeitungsstand: 29.04.1998



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